Udo Gaedeke

Mein 36 Jahre alter Wohnwagen ist nun für einige Zeit meine Bleibe. Ca. 17 qm Platz und alles drin, was ich zurzeit für das Leben benötige.

Udo Gaedeke

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Darf es etwas weniger sein?

Meine Art zu leben, wer weiß, wie lange...

Meistens steht ein Lebensjahr bei mir unter einem Motto. Das hat sich in den letzten Jahren so ergeben. Dies Jahr drängte es mich nach Einfachheit, nach "Raus aus festgefahrenen Strukturen". Anfang des Jahres 2014 wurde klar, dass meine jüngste Tochter nach zwei Jahren von mir wieder ausziehen würde (zurück zu Muttern) und dass ich dann kein Zimmer mehr für eines der vier Kinder mehr vorhalten bräuchte. Schnell war mir klar, dass ein neuer Lebensabschnitt neue Möglichkeiten bieten würde.

In Momenten der Stille und der Meditation wurde mir schnell klar, dass es Zeit wäre für weniger. Zeit loszulassen, Zeit, einfach mal einfacher zu leben. Was ich jetzt schreibe ist mein ganz persönlicher Weg. Niemanden will ich damit missionieren oder anderes Lebende damit kritisieren - dies nur vorweg. Mir wurde einfach klar, dass jeder Gegenstand, den wir besitzen, jedes Stück Land, jedes Zimmer, jedes Auto usw. unsere Aufmerksamkeit, unsere Kraft und unser Geld kostet. Von vielen Dingen bekommen wir natürlich auch viel Erleichterung im Leben. Aber für Wartung und Instandhaltung wird auch viel Zeit und viele Ressourcen vergeudet (oder mind. benutzt). So entstand vor meinem geistigen Augen ein Projekt:

Schnell fand ich ihn: einen sehr alten Wohnwagen ohne TÜV. In 4,5 Monaten habe ich ihn komplett entkernt, neu isoliert und Fenster, Türen und das komplette Innenleben rausgeschmissen und mit Bio-Materialen neu eingerichtet. Kaum Plastik, viel leichtes Holz war das Ziel. Von draussen bunt bemalt ging es dann ab Aug. '14 auf Tour. An manchem Flugberg habe ich geparkt, bin zu meinen Seminaren gleich mit der ganzen Wohnung angereist. Eine ganz neue Einfachheit, Leichtigkeit und Freiheit hat sich eingestellt.

Jetzt in der kalten Jahreszeit bleibe ich auf einer schönen Wiese, die ich von einem Landwirt gemietet habe. Der Kaminofen heizt gut und ich finde immer wieder Dinge, die bereits einige Monate nicht gebraucht habe und bringe sie zu den anderen Dingen in die Scheune. Leichtigkeit und Einfachheit eben...

So geniesse ich das Leben und habe viel Zeit für Meditation, für Spaziergänge in der Natur (Hausarbeit dauert ja nur noch 15 min ;-)

Hier noch ein Text, den ich mal auf einer Seminartour im Herbst geschrieben habe:

DANKE

Mein alter W123 brummt und schnauft. Mit 75 bis 85 km/h zieht er den Tabbi, meinen als Wohnung umgebauten Tabbert-Baronesse-Wohnwagen, über die Autobahn. Es sind noch 400 km bis zum Seminarort und ich habe noch 2/3 des Tages Zeit für die Reise. Das Radio spielt meine Playlist von Reinhard Meys schönsten Balladen und ich hänge meinen Gedanken nach. Da sind schöne Formulierungen über gelebtes Leben. Ein Mann mit Tiefe und Lebenserfahrungen entführt mich in ähnlich erfahrene Felder des Lebens. Hier und da muss ich schmunzeln. Einmal eine Träne der Rührung - oder besser: der Berührung.

Mit seinen einfachen Melodien entführt er mich in Liebesbeziehungen, in Zeiten, als meine Kinder noch klein waren, in den zweiten Weltkrieg, die Tagespolitik, Einsamkeit, Freude und Leid. Von Allem ist etwas dabei. Irgendwann verschwindet sein Gesang im Hintergrund und meine Gedanken verselbständigen sich. Das Herz wird mir weit und ich denke daran, wie gut es uns hier in diesem schönen Land geht. Mir wird klar, wie gut es MIR geht. Ich zähle in Gedanken all die schönen Dinge auf, die ich erleben durfte, all die Dinge, die ich mal "besitzen" durfte.

Ganz unbemerkt schleichen sich da auch Dinge ein, die ich im Moment des Erlebens gar nicht als ein Geschenk annehmen konnte. Traurige Momente, schwere Zeiten - auch sie haben, im Rückspiegel betrachtet, etwas, für das man dankbar sein kann. Und wenn es nur das gute Gefühl ist, es geschafft zu haben, daran nicht zerbrochen zu sein, "gewonnen" zu haben, ja, daran gewachsen zu sein. Und so belächle ich die "gute alte Zeit" und mir fällt ein Spruch ein, den ich vor zwei Wochen bei Artemisia gesehen habe: "Es wird nie wieder so sein, wie es früher nie war!"

Wie wahr. Sind doch die Erlebnisse alle sehr subjektiv. Für jeden anders, für jeden gemessen an seinem jeweiligen Erlebnishintergrund sind sie gut oder böse. Sind sie richtig oder falsch, glücklich oder unglücklich usw. Aber dabei SIND sie ja eigentlich nur. Und während sich mein Herz weiter von Dankbarkeit erfüllt ausbreitet findet die Sonne einen Spalt zwischen den Wolken. Es ist einer dieser Tage, wo man die Sonnebrille alle paar Minuten auf- und dann gleich wieder absetzen kann. Wunderschön. Das Leben, ein Geschenk, eine Freude, ein Abenteuer, eine Herausforderung, eine Illusion, ein großer Spielplatz, den wir viel zu ernst nehmen?

Und als ich anfing darüber nachzudenken, wer ich bin, was wir sind, warum, usw.? - da fügte sich der Füllstand meiner Blase und der steigende Druck mit dem Erscheinen eines Parkplatzes in 500m. So fuhr ich rechts ran, stehe nun in meiner 17qm-Wohnung an meinem kleinen Tresen, mache eine kleine Pause, trinke einen Kukicha-Tee und tippe Worte der Dankbarkeit in den Laptop.

Das Leben - was auch immer das ist - es ist wunderschön und macht Freude!

   
 

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